Diabetes-mäßig gibt es bei mir nicht gerade viel zu erzählen. Mein Fiasp-Erfahrungsbericht oxidiert seit einigen Wochen unfertig in der Pipeline. Ich habe im Moment einfach keine Muße ihn fertig zu schreiben. Dafür war ich mal wieder ein paar Tage unterwegs. In Schweden. Diabetes natürlich mit im Gepäck. Muss ja. Folgende Berichte werden also ein Mix aus Diabetes-Kram und Reisebericht. Da müsst ihr durch.
Die Nacht war kurz. Um 4:00 Uhr klingelt der Wecker. Der Flieger nach Stockholm hebt um 6:30 Uhr ab. So frühes Aufstehen ist ja nix für mich und natürlich habe ich auch prompt vergessen meinen Morgengupf zu pumpen. Bereits um halb 4:30 Uhr bin ich von geschmeidigen 120mg/dl auf ungemütliche 230mg/dl angestiegen. 4:31 Uhr. Der Bolus sitzt. Fiasp!
Im Flieger hole ich ein wenig Schlaf nach und verpasse wie immer Snack und Getränke. Stockholm begrüßt mich mit dicken Wolken am Himmel. Aber das ist OK. Am Flughafen besorge ich mit ein Ticket für den Flygbuss, der mich günstig zum Hauptbahnhof bringt. Von dort aus geht es mit der Tunnelbana rüber nach Södermalm zum Hotel. Wie schon vermutet, kann ich noch nicht einchecken, sondern bis zum Nachmittag erstmal nur mein Gepäck zwischenlagern. Stört mich aber nicht weiter, denn ich bin mittlerweile hellwach, Blutzucker ist wieder im Normalbereich und ich mache mich auf den Weg die Gegend zu erkunden.
Fika (Schwedische Aussprache: [fiːka])
Schon vorab habe ich mir eine Liste gemacht, was ich mir in Stockholm (noch einmal) angucken möchte. Aber das Wichtigste zuerst: Kaffee! In Schweden: Fika. Mein Ziel ist das Drop Café, angeblich bieten die einen der besten Kaffees in Stockholm an und rösten diesen auch selber. Dank Google Maps erreiche ich das Ziel problemlos, trotz eines Umweges, den ich auf Grund eines riesen Polizeieinsatzes machen musste. Ich hatte mich schon gewundert, warum so viele Hubschrauber am Himmel kreisen. Im Nachhinein habe ich herausgefunden, dass ein LKW Fahrer mehrere Fahrzeuge beschädigte und dann Fahrerflucht beging, durch die Strassen bretterte und noch einen Mast umnietete. Da hat man natürlich gleich die Bilder vom Anschlag im April Kopf.
Es hat angefangen zu regnen. Ich genieße das. Der Geruch von Regen vermischt sich mit dem von Kaffee, Zimt und Kardamom, der aus den unzähligen kleinen Cafés in Södermalm strömt. Ich sauge das auf und fühle mich trotz des miesen Wetters wohl. Im Drop Café ist schon gut was los, obwohl es etwas abgelegen in einer Seitenstraße liegt. Der Duft von frisch geröstetem Kaffee wabert durch den Raum. Das Drop Café ist schlicht eingerichtet. Ich überfliege das Angebot und bestelle beim freundlichen Barista, der mich mit einem herzlichen Hej begrüßt, aber noch etwas verschlafen aus der Wäsche guckt. Eine Weile antwortet er mir ausschließlich auf Schwedisch, obwohl ich englisch mit ihm rede. Lachen auf beiden Seiten. Jetzt ist er wach.
Zum Kaffee bestelle ich noch ein Avocado-Brot mit Tomate. Ich brauche etwas Herzhaftes, obwohl die Kanelbullar (sowas wie Zimtschnecken, nur besser) verlockend aussehen und verführerisch duften. Und hey, Zimt soll doch gut für den Zucker sein, oder? 😉 Mit Kaffee und Brot bewaffnet setze ich mich nach draußen atme den Morgen ein und komme erstmal an.
Mein Appetit auf etwas Herzhaftes wird durch eine Hypo unterbrochen und ich pfeife mir gezwungenermaßen kurz vorm Frühstück noch ein paar Gummibärchen rein. Diabetes ich könnte dich knutschen.
Nach dem Frühstück steure ich den ersten Supermarkt an. Ich liebe Supermärkte in fremden Ländern. Ich streife durch die Regalreihen und begutachte das Sortiment, nehme aber erstmal nur eine Cola Zero, Fanta Zero Cranberry und ein paar Schokoriegel mit. Proviant versteht sich.
Es nieselt immer noch vor sich hin und ich bin tatsächlich etwas zu dünn angezogen. Ein paar Möwen kreisen am Himmel. Ihr Gekreische vermittelt ein wenig das Gefühl von Heimat. Von Hamburg, vom Meer. Ich setze meine Erkundungstour durch Södermalm fort. Je mehr ich in Richtung Monteliusvägen komme, desto steiler werden die Straßen. Das Kopfsteinpflaster glitzert wunderbar im Gegenlicht, ist aber auch ganz schön glatt. Obacht!
Ich hangle mich runter nach Gamlastan, der Altstadt von Stockholm und wohl der schönste Stadtteil. Verwinkelt, bunte Häuser und enge Gassen. Es ist einfach gemütlich hier, wenn auch sehr von Touristen überlaufen, was die vielen Souvenir Läden mehr oder weniger rechtfertigt. Fernab der „Hauptgassen“ gibt es aber viele kleine Läden mit schwedischem Handwerk und Antiquitäten.
Dala Pferd (schwedisch: Dalahäst [Dah:lah:Hest])
Es sind auffällig viele Deutsche unterwegs. Und Briten. Die erkennt man nicht an der Sprache, sondern wie oft an ihrem Benehmen.
Ich verspüre schon wieder Kaffeedurst.In Stockholm gibt es mittlerweile viele Ketten. Espresso Club, Wayne´s Coffee und Jo and the Juice dominieren die Kaffee Szene. Der Kaffee ist trinkbar, aber eben nicht so schmackhaft wie in den kleinen Röstereien. In der Fabrique (eine Bäckerei-Kette, aber sehr viel kleiner, schöner und qualitativ hochwertiger als die üblichen Verdächtigen) hole ich mir einen Kaffee und eine Kanelbulle auf die Hand. Fika to go.
Ich mache bei Runstenen Halt. Der kleine Touriladen, geführt von Asiaten, führt im Hinterzimmerchen ein kleines Dala Pferd Museum. Ich gucke mir alles an und die freundliche Verkäuferin versorgt mich mit Informationen über die bunten Holzpferde, deren Geschichte mehr als 500 Jahre zurück geht.
Es ist noch immer nicht Zeit zum Einchecken und ich setze meine Tour nach Normalm fort. Hier ist alles moderner, die Geschäfte unterscheiden sich nicht wirklich von unseren in Deutschland, zumal es typische schwedische Läden wie Stadium, Granit oder Clas Ohlson mittlerweile auch bei uns gibt. Eigentlich schade.
Ich reihe mich einfach in die Menschenmassen ein und schwimme mit dem Strom, der mich eher zufällig nach Snickarbacken7 spült, ein Café/Rösterei das auch auf meiner Liste steht. Wie praktisch. Hatte ja auch schon lang keinen Kaffee mehr…
Im Snickarbacken7 ist es relativ dunkel. Keine Fenster. Die schwachen Sonnenstrahlen, die durch die Eingangstür fällen, hüllen die Speisen auf dem Tresen in ein weiches Licht und man möchte direkt alles probieren. Es gibt nicht nur Kanel- und Kardamombullar, sondern auch Salate, belegte Brote und Smoothies. Dass ich mich schon wieder für das süße „blutzuckerfreundliche“ Zimtgebäck entscheide, bereue ich nicht. Heiliger Bimbam! Ich glaube das war eine der besten Kanelbullar die ich bisher gegessen habe. Und ich habe schon viele gegessen (im Gegensatz zu richtig saftigen Kanelbullar, können unsere Hamburger Franzbrötchen übrigens einpacken, obwohl ich denen ja auch generell nie abgeneigt bin).
Ich werde langsam müde und es ist tatsächlich Zeit mich auf den Weg ins Hotel zu machen. Dort angekommen schlafe ich innerhalb von 5 Minuten auf dem Bett ein und wache knapp 2 Stunden später wieder auf. Und nun? Ich hab Hummeln im Hintern und will keine Zeit im Hotel verschwenden. Draußen ist es noch hell und ich mache mich noch einmal auf die Socken Richtung Riddarholmen, von wo aus man einen wunderschönen Blick auf das Rathaus (Stadshuset) hat – wenn auch im Gegenlicht. Ich setze mich ans Ufer, lasse Seele und Beine baumeln und genieße die Abendsonne, die sich tatsächlich noch hinter den Wolken hervor gedrängelt hat. Ein schöner Tag in Stockholm.