Heute gibt es eine Gastbeitrag von „der anderen Seite“. Svenja ist Diabetesberaterin. Wie es bei ihr so im Praxis-Alltag aussieht, erzählt sie uns in ihrem Beitrag. Ich glaube eine Dia-Fee wie Svenja können wir uns alle wünschen.
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„ Hallo guten Tag! Mein Name ist Oerter“ „ Oerter? Sind Sie mit der Ärztin verwandt?“ „ Ja, ich bin ihre Tochter und nein ich studiere nicht Medizin und habe es auch nicht vor!“ So oder so ähnlich fingen früher meine Gespräche mit Patienten häufig an. Dies hat sich glücklicherweise geändert.
Aber jetzt nochmal von vorne. Ich heiße Svenja, bin 32 Jahre alt und seit 2008 als Diabetesberaterin in einer Schwerpunktpraxis tätig. Auch wenn meine Mutter schon seit mehr als 20 Jahren in dem Business ist, wollte ich am Anfang gar nicht so wirklich was damit am Hut haben. Aber nach einigen Versuchen etwas anderes zu machen bin ich aber wieder in den medizinischen Sektor zurückgekehrt und hatte noch dazu Blut geleckt: Diabetesberaterin werden. Gesagt getan! Bisher habe ich es nicht bereut mich in dieser „Nische“ niedergelassen zu haben. Ich hätte nie gedacht, dass mir das mal soviel Spaß machen würde.
Unsere Praxis würde ich als klein aber oho bezeichnen, da wir wirklich nur eine Diabetesambulanz sind. Aktuell sind es so insgesamt ca. 400-600 Patienten, wovon 150 Typ 1 Diabetes haben. Von diesen 150, sind 30 Kinder und Jugendliche und nochmal ca. 45 Insulinpumpenträger. Ich bin sehr glücklich, dass wir keine „Durchgangpraxis“ sind und uns wirklich Zeit für unsere Patienten nehmen können.
Viele fragen mich immer: „Wie ist das so, wenn deine Mutter dein Chef ist?“. Tja, es ist natürlich anders als bei anderen Arbeitgebern. Und ich kenne bisher noch keinen Vergleich, da ich noch keinen anderen Arbeitgeber hatte. Es ist aber nicht unbedingt leichter. Denn wenn ich einen Fehler mache, lastet das manchmal doppelt so schwer. Man erwartet einfach mehr von mir (und vor allem ich selbst von mir). Dafür genieße ich viele Freiheiten, habe stets ein offenes Ohr beim Chef und kann Dinge sicherlich auch anders durchsetzen. Denn ich denke nicht, dass meine Kolleginnen den „Praxishund“ durchgesetzt bekommen hätten.
Trotzdem sind jetzt alle froh, dass Rufus da ist. Die Fangemeinde der Patienten wächst stetig.
Die Woche über teilt sich mein Alltag zwischen der Arbeit in der Praxis und meinem Studium auf. Dieses habe ich im letzten Jahr begonnen und hoffe 2017 dann eine „Gesundheits-und Pflegemanagerin“ zu sein.
Damit ihr euch besser vorstellen könnt was ich den lieben langen Tag so mache hier mal eine kurze Zusammenfassung eines ganz normalen Arbeitstages.
8.30 Angekommen. Allgemeines „Gewusel“ im Personalraum, kurze Absprache was heute alles so anliegt und die Kaffeemaschine läuft auf Hochtouren.
9.00 Erst mal Mails checken. Eine Patientin hat mir ihre BZ-Protokolle geschickt, ich rufe Sie an, bespreche die Werte und mache mit ihr fix einen neuen Termin aus.
9.15 Das Telefon klingelt. Ach es ist die Dame von der Krankenkasse. Sie hat noch Rückfragen zu einer Verordnung und man merkt, dass Sie eigentlich gar keine Zeit dafür hat. Ich versuche in einfachen Sätzen zu sprechen. Während ich Ihr den Sachverhalt erkläre, bin ich in meinen Gedanken schon bei..
9.30 …den Vorbereitungen auf die Abendschulung diese Woche. Schnell noch ein paar nette Rezeptideen und „Schätzbeispiele“ im Internet recherchieren, bald ist ja auch BE-Stunde!
10.00 Mein erster persönlicher Termin heute. Hinein kommt eine nette junge Bulgarin mit
Schwangerschaftsdiabetes. Sie macht sich sichtlich Sorgen, aber ich kann ihr die Angst ein wenig nehmen. Ich hoffe, sie hält meine Ratschläge ein. Spätestens beim nächsten Termin bin ich schlauer.
10.30 Nach einem Arztgespräch bittet mich meine Mutter, einem Patienten eine kurze Einweisung in ein neues Blutzuckermessgerät zu geben. Ich erkläre ihm die Bedienung und er freut sich, weil es viel einfacher ist als er dachte. Ich bin auf den nächsten Termin mit der Auswertung gespannt.
11.00 Nun eine schwangere Patientin mit Typ 1 Diabetes. Sie braucht dringend ein CGM-Gerät, das Gutachten wurde schon im Vorfeld erstellt. Den letzten Schliff gibt’s noch nach Rücksprache mit der Ärztin.
11.30 Es kommt meist zu Schwierigkeiten bei der Beantragung. Deshalb erkläre ich der Patientin wie der Ablauf ist bis die Genehmigung kommt. Wichtig ist auch, dass wir wenigstens telefonisch in Kontakt bleiben. Oft verstehen die Patienten gar nicht was die Krankenkasse eigentlich will oder warum es so lange dauert.
12.30 Wir treffen uns alle im Personalraum und es gibt Mittagessen. Es herrscht ein reger Austausch über Patienten und weitere Vorgehensweisen, Neuzugänge, Therapieempfehlungen, ein Haufen News und was wir ab heute bei den Beratungen beachten sollten. Besonders spannend für uns Beraterinnen ist immer, wie unterschiedlich wir und die Ärztin die verschiedenen Patienten wahrnehmen.
13.30 Teenies sind süß, doch oft ein wenig problematisch. Sie sprechen nicht, vieles scheint sie peinlich zu berühren. Vor Allem das ständige Tragen eines medizinischen Hilfsmittels stößt auf harte Ablehnung. Wir probieren das Ganze erst einmal 2 Tage mit Kochsalzlösung und schauen wie es läuft. Und siehe da: wie und wo man das Ding trägt ist doch einfacher als gedacht.
15.00 Ein fünfjähriges Mädchen möchte bei einem Ausflug mit dem Kindergarten mitmachen. Ich bespreche mit der Mama die Blutzuckerprotokolle und erkläre worauf zu achten ist. Für die Kleine bin ich die Heldin. Die schönen Seiten!
16.00 Der Klassenlehrer eines Patienten ruft an. Vor dem Sport hat der Junge instabile Blutzuckerwerte, der Lehrer weiß aber nicht wie er damit umgehen soll. Ich helfe. Alles wird gut.
16.30 Bald gebe ich eine Fortbildung zum Thema „Datenmanagement bei Diabetes“. Das bereite ich immer gern nachmittags vor (da bin ich kreativer) und stelle meine Präsentation fertig. Welches Genie beherrscht jetzt das Chaos auf meinem Schreibtisch und erklärt mir das!?
17.30 Abrechnung. Alles nochmal dokumentieren und nachbereiten. Rufus hat den ganzen Tag schon Feierabend und hat Kraft für die Hundewiese getankt. Feierabend, los geht’s!
So oder so ähnlich sehen die Tage in unserer Praxis aus. Manchmal habe ich auch mehr Zeit zwischen den Terminen und kann noch im Ablauf der Praxis helfen oder Telefonate mit Patienten führen. An manchen Tagen habe ich auch wegen meiner Zeit an der Fachhochschule nur Zeitfenster in denen ich in der Praxis bin. Diese Tage sind dann besonders schwierig zu managen, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und es klappt ganz gut.
5 Dinge, die ich an meinem Beruf mag:
1. kein Tag ist wie der andere, Abwechslung garantiert
2. wenn man eine Beratung macht und nachher ein super tolles Feedback bekommt
(gleiches gilt auch für die Schulung)
3. die persönliche Art und Weise mit den Patienten arbeiten zu können
4. dass ich nie auslerne und es immer wieder tolle neue Veränderungen gibt
5. dass ich mein Interesse für Technik mit dem Interesse Wissen zu vermitteln in diesem Job
kombinieren kann
5 Dinge, die ich an meinem Beruf nicht mag:
1. unnachvollziehbarer bürokratischer Aufwand bei den Kostenträgern
2. immer erreichbar sein zu müssen
3. Zeitdruck
4. ständige Änderungen von Verordnungen, Verfügbarkeiten von Medikamenten
5. die Papier- und Informationsflut in einer Praxis, die wir jeden Tag aufs neue bewältigen müssen
Ich hoffe ich konnte euch zumindest einen kleinen Einblick von der anderen Seite des Tisches geben und falls ihr noch Lust habt mehr von mir zu lesen könnte ihr mir auf meinem Blog unter www.mitohnezucker.wordpress.com folgen.
Vielen Dank und auf Wiedersehen!

© Fotos: Svenja Oerter